Eigentlich sollte sich die Reisebranche in diesem Jahr von der weltweiten Corona-Pandemie erholen – so die Prognose der meisten Reiseexperten. Doch der Krieg Russlands gegen die Ukraine könnte zu einem neuen Rückschlag führen.
Flugverbote, steigende Preise und längere Reisezeiten könnten erneut viele Stornierungen zur Folge haben.
Über 30 Länder haben bislang ihren Luftraum für russische Flugzeuge gesperrt, im Gegenzug hat die russische Zivilluftfahrtbehörde ihren Luftraum für Fluggesellschaften aus mindestens 37 Ländern gesperrt. Auch ein Überflug über die Ukraine, Belarus und Moldawien ist nicht mehr möglich. Das bedeutet kurzfristig Flugausfälle oder eine Umleitung von Flugrouten. Langfristig könnten die Folgen für die Reisebranche aber noch weitreichender sein.
Steigende Ölpreise werden auch die Preise für Flugtickets in die Höhe treiben. Durch die Sperrung der genannten Lufträume werden sich Flugstrecken verlängern, die Airlines werden mehr Treibstoff benötigen. Lufthansa-Finanzvorstand Remco Steenbergen sagte bereits vor Journalisten, dass die Umwege nach Asien einen „einstelligen Millionenbetrag“ pro Monat kosten werden und die Fluggesellschaft die Preise erhöhen müsse, um diese Kosten auszugleichen. Zu befürchten ist, dass die Erhöhung der Ticketpreise zu einer geringeren Nachfrage führen wird. Schlecht für eine Branche, die noch mit den Folgen der Corona Pandemie zu kämpfen hat.
Die Erinnerungen an den Abschuss des Malaysia-Airlines-Flug MH17 im Jahr 2014 über der Ostukraine sind noch nicht verblasst. Nun warnt die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) vor einem hohen Risiko für zivile Flugzeuge rund um das Kriegsgebiet, sie könnten absichtlich oder unabsichtlich unter Beschuss geraten. Das bedeutet, dass viele Menschen Reiseziele in Osteuropa und rund um Russland und die Ukraine meiden werden, obwohl keine anderen Länder aktuell durch Russland bedroht sind.
Auch COVID-19 existiert noch immer und die zu erwartende Flüchtlingswelle könnte zu einer weiteren Ausbreitung des Coronavirus führen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bestätigte kürzlich, dass in der Ukraine nur 35 Prozent der Bevölkerung geimpft sind. Viele, die nun in die europäischen Länder als Flüchtlinge strömen, werden das Virus weiter tragen. Das kann erneut zu Reisebeschränkungen und Quarantäneverpflichtungen in Ländern führen, die gerade fast alle Restriktionen aufgehoben haben. Wenn dagegen andere Länder die Einreisebeschränkungen lockern oder aufheben, um Flüchtlingen zu helfen, wird dies wahrscheinlich dazu beitragen, dass sich das Virus erneut massenhaft verbreitet.
Viele europäische Urlaubsländer, aber auch Destinationen rund um den Globus wie die Türkei, die VAE, Malediven oder Thailand, werden erhebliche Einbußen bei ihren touristischen Einnahmen haben, die ihnen reisefreudige Russen in den letzten Jahren in die Kasse gespült haben. Nach Angaben des Verbands der Reiseveranstalter Russlands (ATOR) haben Russen in den letzten Jahren (vor Corona) im Schnitt 10 Mio. touristische Reisen pro Jahr ins Ausland unternommen. Diese Einnahmen werden zumindest in diesem Jahr ausbleiben, schon aus Mangel an Flugmöglichkeiten. Die wenigen Russen im Ausland können in Kürze nicht mehr mit ihren Kreditkarten von Visa oder Mastercard bezahlen, der Rubel befindet sich im freien Fall und wird fast nirgendwo akzeptiert. Die Welttourismusorganisation will auf einer Dringlichkeitssitzung entscheiden, ob Russlands Mitgliedschaft storniert wird. (red)