Der Geschäftsreisemarkt wird ein anderer sein

Zahl und Abläufe von Geschäftsreisen werden sich nach der Pandemie verändert haben. Das ist aber nicht nur der Pandemie geschuldet, auch wenn sie eine spürbare Zäsur im Markt darstellt.

Die Big Player wie Hotels und Fluggesellschaften geben sich derzeit optimistisch und betonen, es sei nur eine Frage der Zeit, bis die Branche wieder zu ihrer alten Stärke zurück findet. Das ist durchaus verständlich, wenn man bedenkt, welche Bedeutung der Geschäftsreisemarkt zum Beispiel für die Luftfahrtindustrie hat: Nur zwölf Prozent der Passagiere sind Geschäftsreisende, die aber für 75 Prozent der Gewinne der Airlines sorgten.

Der ehemalige Microsoft-CEO Bill Gates sieht die Entwicklung kritischer: Der Geschäftsreiseverkehr werde zurückkehren, aber nur zu 50 Prozent seiner früheren Stärke. Es gibt nicht wenige Experten, die dem zustimmen. Das goldene Zeitalter der verschwenderischen Ausgaben für Geschäftsreisen scheint vorbei zu sein. Auch wenn der Einbruch bei Geschäftsreisen seit dem letzten Jahr direkt durch die Pandemie verursacht wurde, deutet das Ausbleiben einer starken Erholung auf etwas anderes hin: Während der Pandemie haben die Unternehmen einige wichtige Lektionen gelernt.

• Technologie kann viele Arten von Meetings ersetzen. Die Pandemie hat Unternehmen dazu gezwungen, zum ersten Mal im großen Maßstab Videokonferenzen und andere Tools zur Zusammenarbeit einzusetzen. Sie haben festgestellt, dass in vielen Bereichen Tools wie Zoom, Microsoft Teams, Slack, BigBlueButton, GoToMeeting, Cisco WebEx oder Google Meet durchaus geeignet sind, Informationen auch ohne persönliche Treffen auszutauschen. Diese sind nur dann unverzichtbar, wenn es um Geschäftsanbahnung und Verhandlungen geht.
• Geschäftsreisen waren früher teilweise eine absurde Verschwendung, während gleichzeitig Ausgaben für andere Bereiche des Unternehmens gekürzt werden mussten. Dazu trugen viele Normen bei, wie z.B. Buchungen in letzter Minute, ohne sich um den Preis zu scheren, für Upgrades in die Business Class zu zahlen oder Hotels nach persönlichen Präferenzen auszusuchen. Die Incentive-Struktur vieler Geschäftsreisen war anfällig für Missbrauch: Reisenden trafen Reiseentscheidungen, ohne persönlich dafür aufkommen zu müssen, und Manager und Führungskräfte waren „mit von der Partie“, weil jeder gerne teure Reisevergünstigungen genießt.
• Die Reduzierung von Geschäftsreisen ist ein wirksames Mittel zur Verringerung umweltschädlicher Abgase. Viele Unternehmen suchen zunehmend nach Möglichkeiten, die Umwelt zu schonen – mit umweltfreundlicheren Fahrzeugen und Büroparks, Verwendung recycelbarer Materialien und Arbeit im Homeoffice. Vor allem hat sich gezeigt, dass weniger Geschäftsreisen einen großen Unterschied in der CO2-Bilanz eines Unternehmens ausmachen. 

Diese Erkenntnisse werden dazu führen, dass viele Unternehmen Geschäftsreisen neu bewerten und mit einer völlig neuen Denkweise angehen werden. Sinn und Zweck einer Geschäftsreise muss vorab gerechtfertigt sein, außerdem werden sich Buchungswege und Auswahlkriterien im Bereich der Mobilität, der Beherbergung und der Tagungsdestinationen und -Lokalitäten stark verändern, um die Kosten zu senken. In der Branche taucht immer häufiger der Begriff „zielgerichtetes Reisen“ (purposeful travel) auf. Unternehmen werden noch stärker darauf achten, dass Geschäftsreisen zweckorientiert sind. Wie auch immer man es nennt, das Ergebnis werden weniger Reisen pro Unternehmen und geringere Ausgaben pro Reise sein.

Die Gründe für Reisen werden sich nach der Pandemie verändern. Durch die neue Akzeptanz von Telearbeit und Homeoffice werden immer mehr Mitarbeiter zu digitalen Nomaden, die unter Umständen weit entfernt vom Hauptsitz des Unternehmens leben. Sie werden in bestimmten Abständen im Unternehmen präsent sein müssen und dafür auch längere Reisen in Kauf nehmen, die dann von der Firma bezahlt werden. Immer stärker akzeptiert werden auch neue Arbeitsformen wie  „Bleisure Travel“ (Kombination von Geschäft und Freizeit auf einer einzigen Reise) und „Workations“ (Fortsetzung der Vollzeitarbeit, aber vorübergehend von einem urlaubsähnlichen Ort aus). Die Unternehmen werden im Rahmen neuer Anreizstrukturen für einen Teil dieser Reisen zahlen.  (red)