Ein Jahr nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine ist die Kriegsangst der Deutschen deutlich gestiegen. Die Mehrheit der Befragten in einer Sonderausgabe der R+V-Langzeitstudie „Die Ängste der Deutschen“ befürchtet, dass die Bundesrepublik selbst zur Kriegspartei wird, aber nicht verteidigungsfähig ist.
63 Prozent der Deutschen haben Angst, dass sich die Bundesrepublik im Kriegsfall nicht verteidigen kann. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Online-Umfrage des Infocenters der R+V Versicherung, unmittelbar nach der Veröffentlichung des Jahresberichts zur Lage der Bundeswehr. „Diese Befürchtung ist seit dem vergangenen Sommer um 23 Prozentpunkte in die Höhe geschnellt,“ sagt Studienleiter Grischa Brower-Rabinowitsch. Einen derart großen Anstieg habe man in der Studie nur selten beobachtet.
„Es ist keine neue Erkenntnis, dass es der Bundeswehr an Waffen und Material mangelt“, erklärt Professorin Dr. Isabelle Borucki, die an der Philipps-Universität Marburg die R+V-Studie seit diesem Jahr als Beraterin begleitet. „Aber jetzt sind der Krieg und die Waffenlieferungen in den Medien allgegenwärtig und damit auch in den Köpfen. Das macht den Menschen Angst.“
Der Krieg in Europa schürt auch bei jedem zweiten Befragten (55 Prozent) die Angst, dass Deutschland in den Krieg verwickelt wird. Das ist ein Anstieg von 13 Prozentpunkten gegenüber 2022. Einen höheren Wert gab es in den drei Jahrzehnten der Studie erst einmal zuvor, 1999 während des Kosovo-Kriegs. „Der Krieg gegen die Ukraine findet – genau wie der Kosovo-Krieg – direkt vor unserer Haustür statt. Er kommt als unmittelbare Bedrohung immer näher“, sagt Borucki.
Während zwei Drittel der Ostdeutschen (66 Prozent) einen Krieg mit deutscher Beteiligung fürchten, sind es im Westen 53 Prozent der Befragten. Professorin Borucki führt das auf die unterschiedliche Historie zurück: „In der DDR wurden die Kriegserfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg anders aufgearbeitet als in der BRD und das wirkt sich auf die Kriegsangst aus.“ Eine weitere Rolle spiele auch die Nähe zur Ukraine.
Frauen zeigen sich in der Langzeitstudie grundsätzlich ängstlicher als Männer. Am deutlichsten ist dieser Unterschied bei der Angst vor einem Krieg mit deutscher Beteiligung (Frauen: 63 Prozent, Männer: 48 Prozent). Und wie wirkt sich das Alter auf die Sorgen aus? „Unsere Umfrage zeigt: Die Kriegsängste bewegen Junge genauso wie Alte“, so Brower-Rabinowitsch.