Es ist erstaunlich, in wie kurzer Zeit die Corona-Pandemie unsere Arbeitswelt verändert hat. Nach zwei Jahren scheint nicht mehr der Ort, wo wir arbeiten, wichtig zu sein, sondern die Art und Weise, wie wir arbeiten. Und das hat auch Auswirkungen auf die Geschäftsreisen und die Tagungswirtschaft.

Unternehmen denken heute genauer darüber nach, welchen Sinn und welche Effizienz eine Geschäftsreise oder die Teilnahme an einer Kongress hat. Zugleich haben die Mitarbeiter heute mehr Einfluss auf die Buchungsprozesse und Richtlinien des Unternehmens und sie überdenken die Entscheidung, in ein Flugzeug zu steigen, sehr genau. Da es Alternativen gibt, gibt es auch viele Gründe, auf Reisen zu verzichten: gesundheitliche Bedenken, Produktivität, Nachhaltigkeit, Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, psychisches Wohlbefinden. 

Daraus ergeben sich weitere Fragen: Ist es notwendig, zu reisen, um den Kunden zu treffen? Lohnt sich die Investition, an einer Konferenz oder Messe teilzunehmen? Können persönliche Schulungen jetzt durch videogestütztes Online-Lernen ersetzt werden? Aber wenn die Mitarbeiter nicht mehr in einem zentralen Büro, sondern verstreut im Home-Office oder an verschiedenen Standorten arbeiten, sind dann nicht mehr interne Meetings nötig, um die Unternehmenskultur in den Köpfen zu verankern, Arbeitsbeziehungen zu vertiefen und projektbezogene Zusammenarbeit zu stärken? 

Während der Pandemie haben Unternehmen sehr viel Rücksicht auf die Vorlieben und Bedürfnisse ihrer Arbeitnehmer genommen, das gilt auch für die Reiseprogramme. In dieser Zeit wurde oft ein Auge zugedrückt, wenn Mitarbeiter auf Reisen gehen mussten und dabei nicht richtlinienkonform gebucht haben. 

Travel Manager haben nun das Problem, die Mitarbeiter wieder auf die Reiserichtlinie zu verpflichten, was unter den veränderten Umständen nicht einfach werden dürfte. Entsprechend haben im Sommer in einer Umfrage von SAP Concur fast alle der 700 befragten Travel Manager vermutet, dass ihre Arbeit in den nächsten zwölf Monaten schwieriger werden wird. Sie müssen sich nicht nur mit den wechselnden Corona-Bestimmungen in den Zielländern und den gesundheitlichen Bedenken ihrer Reisenden auseinandersetzen, sondern werden auch mit den veränderten Erwartungen der Reisenden hinsichtlich der Geschäftsreiseprogramme konfrontiert sein. In einer zweiten SAP-Concur-Umfrage unter 3.000 Reisenden bestätigten rund drei Viertel, dass sie künftig ihren Bedürfnissen entsprechend mehr Flexibilität bei der Auswahl von Fluggesellschaften, Hotels und sonstigen Transportanbietern erwarten. 

Das bringt Travel Manager in einen Konflikt. Jahrzehntelang waren sie an Beschaffungskriterien und Einsparungen im Reisebereich orientiert, nun bedeuten die Ansprüche der Reisenden eine Umkehrung der bisherigen Ziele. Die Reisekosten werden künftig nicht mehr der entscheidende Faktor bei der Buchung von Geschäftsreisen sein. Wichtiger als die Kosten sind die Sicherheit der Reisenden, die Rentabilität einer Geschäftsreise und der Aspekt der Nachhaltigkeit.

Entgegen der eigenen Reiserichtlinie haben Travel Manager zuletzt häufiger teurere Direktflüge und höhere Serviceklassen gebucht, um die Anzahl der Reisekontakte und die gesundheitlichen Belastungen für die Reisenden zu reduzieren. Die Hotelauswahl bewegte sich eher in Richtung der Vier- und Fünf-Sterne-Kategorie. Ein Travel Manager sagte unter der Bedingung der Anonymität, dass er zwar mit der Buchung von Business Class und First Class Hotels den Erwartungen der Reisenden in Bezug auf Service und Sorgfaltspflicht entgegenkommen könne. Wichtig sei aber gleichzeitig, die Vorgesetzten zu überzeugen, den Wert und den ROI jeder Reise gegen die Auswirkungen auf das Budget abzuwägen. 

Ein strategischer Balanceakt, den Travel Manager in Zukunft vollziehen müssen. Es gibt aber kaum eine Alternative, als die Präferenzen der Mitarbeiter stärker zu berücksichtigen. In einem angespannten Arbeitsmarkt wird die Mitarbeiterbindung immer wichtiger. In einer Umfrage der Beratungsgesellschaft Ernst & Young haben 54 Prozent der befragten Arbeitnehmer bestätigt, dass sie ihren Arbeitsplatz kündigen würden, wenn das Unternehmen nicht flexibel genug wäre, um ihre persönlichen oder beruflichen Bedürfnisse zu erfüllen. Die Reiserichtlinien müssen daher wohl in diese Richtung angepasst werden. 

Aber für viele Reisende sind die Anpassungen der Serviceleistungen kein Selbstzweck. Sie dienen eher den großen Veränderungen der Zeit wie mehr Nachhaltigkeit, Klimaschutz und veränderte Arbeitsbedingungen. Die Mitarbeiter wollen einerseits ein Gefühl der Kontrolle haben, andererseits die jederzeit „sichtbare Unterstützung“ ihres Unternehmens in Krisensituationen erleben. Sie wollen das Vertrauen in ihr Unternehmen haben, dass die Fürsorgepflicht ernsthaft wahrgenommen wird. Dazu gehört, dass sie vor der Reise über alle möglichen Risiken informiert werden und während der Reise den ständigen Kontakt zum Unternehmen haben und z.B. über eine App immer aktuell über Krisen- und Gefahrensituationen in ihrer Umgebung informiert werden. Über eine solche App müssen auch veränderte Einreisebestimmungen, Flugzeiten und Kontaktdaten für Notfälle verfügbar sein. 

(red)