Familiengeführte Unternehmen in Deutschland ächzen unter den Lasten einer EU-Bürokratie, die von Ineffizienzen geprägt ist – einerseits durch die Vorgaben der Europäischen Union selbst, andererseits durch die wenig praxistaugliche Umsetzung und Handhabung in Deutschland. Das zeigt sich am Beispiel der A1-Bescheinigung.
Diese Bescheinigung muss ein Arbeitgeber beantragen, wenn er einen Arbeitnehmer vorübergehend in ein anderes EU-Land entsendet, und sei es auch nur für eine kurze Dienstreise. Damit wird dokumentiert, dass er oder sie im Heimatland sozialversichert ist.
Das Verfahren belastet die Familienunternehmen erheblich. Dabei könnte es mit einfachen Maßnahmen viel effizienter gestaltet werden. Das ist das Ergebnis einer vergleichenden Studie der „Stiftung Familienunternehmen“. Sie wurde erstellt vom Centres for European Policy Network und der Prognos AG, in Kooperation mit dem Normenkontrollrat des Landes Baden-Württemberg. „Die Stiftung legt hier eine Studienreihe zum Thema Bürokratiekosten vor, die es in dieser Form noch nicht gegeben hat. Die Lasten des Alltags, die in unseren Familienunternehmen unendlich viel Kraft und Mittel binden, werden am konkreten Beispiel sichtbar,“ sagt Vorstand Rainer Kirchdörfer.
Untersucht wurden zum einen die für den Antrag erforderlichen Angaben in vier Mitgliedsländern der EU (Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich), zum anderen die ökonomischen Kosten, die daraus in der Unternehmenspraxis resultieren.
Die EU lässt den Ländern Spielräume, die diese unterschiedlich effizient ausfüllen. Denn welche Informationen dort konkret abgefragt werden, hat sie nicht festgelegt – auch nicht für eine Bescheinigung gemäß Artikel 16 der entsprechenden EU-Verordnung; dieser regelt Ausnahmefälle, zum Beispiel für längere Entsendedauern.
So hat jeder Staat andere Datenanforderungen und – im nächsten Schritt – auch einen anderen Digitalisierungsgrad für das Antragsverfahren. In Deutschland beispielsweise kann man die eingegeben Daten nicht speichern.
In 82 Interviews mit Unternehmen in den ausgewählten Ländern machten die Forscher den Praxistest. In Deutschland kostet das Anmeldeverfahren für jeden einzelnen Antrag viel Zeit (26 Minuten) und besonders viel Geld (mehr als 10 Euro). Hinzu kommen längere Wartezeiten bis zur Erteilung der Bescheinigung. Auch müssen sich hier die Personalverantwortlichen besonders lange mit den Erfordernissen beschäftigen, um den Antrag korrekt stellen zu können.
Die Autoren der Studie empfehlen, das 2021 von der EU gestartete Pilotprojekt zu einem digitalen europäischen Sozialversicherungsausweis voranzutreiben, mit der sich die Zugehörigkeit zum heimatlichen System beweisen ließe. Damit würde die A1-Bescheinigung überflüssig. Kurzfristig sollten die Anträge schlanker gestaltet und ein EU-Portal für die Antragsstellung geschaffen werden. Bis dies gelinge, solle Deutschland sein Portal benutzerfreundlicher gestalten und dafür sorgen, dass die Angaben im Formular für dasselbe Unternehmen und dieselbe Person nur einmal eingestellt werden müssen.
Eine Zusammenfassung der Vergleichsstudie „Regulatorische und finanzielle Belastungen durch EU-Gesetzgebung in vier Mitgliedstaaten“ kann hier herunter geladen werden: