In der letzten Ausgabe hat ein Luftfahrt-Insider, Ben Baldanza, der frühere CEO der US-Gesellschaft Spirit Airlines, seine Branche vor einer naiven und gefährlichen Hoffnung auf eine baldige Markterholung gewarnt. Auch die Lufthansa und andere europäische Airlines werden angesichts der undurchsichtigen und unvorhersehbaren Politik Chinas mit einem Einbruch eines ihrer einträglichsten Geschäftsfelder rechnen müssen.

Die Volksrepublik China hat sich seit dem Beginn der Corona-Pandemie komplett abgeschottet und kaum noch ausländische Reisende ins Land gelassen. Das führte nicht nur zu einer schmerzhaften Unterbrechung vieler Lieferketten, auf die deutsche Firmen angewiesen sind, sondern auch zu einem Rückgang der Investitionen deutscher Unternehmen in China. Zuvor war China das zweitwichtigste Geschäftsreiseziel nach den USA mit rund 250.000 Reisenden pro Jahr. Und diese Geschäftsreisenden waren fast ausschließlich in der Business Class unterwegs, was Lufthansa und anderen Airlines satte Gewinne einbrachte.

Wenn sich nun durch die Null-COVID-Strategie Chinas mit Lockdowns und Quarantänepflichten, durch die aggressive Außen- und Handelspolitik (Drohungen gegen Taiwan, Kampf um wirtschaftliche Vormachtstellung in Asien, Afrika und Südamerika) sowie durch zunehmende Repressalien im Inneren (totale Überwachung und Kontrolle, Unterdrückung von Oppositionellen und Minderheiten) bei vielen deutschen und europäischen Investoren Ernüchterung und ängstliche Zurückhaltung breit machen, schrumpft das lukrative Geschäft auf den China-Strecken erheblich zusammen. Vor Corona waren die drei deutschen Autohersteller VW, Mercedes, BMW sowie der Chemieriese BASF für ein Drittel der europäische Investitionen in China verantwortlich, nun wollen sie ihr Engagement überdenken. 

Diese Entwicklung hat auch VDR-Präsident Christoph Carnier erkannt. Er ist sicher, dass sich deutsche Firmen nicht mehr in zu starkem Maße von einem Land abhängig machen wollen, insbesondere vor der Diskussion um Lieferengpässe und die Abhängigkeit von russischen Erdgas. Wenn Investitionen künftig vermehrt in Länder wie Indien, Indonesien oder Vietnam, in Nordafrika oder Amerika fließen sollten, „werden sich auch die Geschäftsreiseströme verschieben“, so Carnier. Für die Airlines bedeutet es, dass sie ihr Geschäftsmodell auf den Chinarouten, das bisher von der Flotte über den Flugplan, die Sitzkonfiguration, die Flughafenimmobilien bis zur Vertriebsstrategie ganz auf den Geschäftsreisemarkt ausgerichtet war, verändern müssen. Andere weltpolitische Ereignisse wie der Russland-Konflikt tragen ebenfalls dazu bei, dass sich u.a. günstige Flugrouten ändern müssen. 

Airline-Boss Baldanza hatte es klar ausgedrückt: Geschäftsreisende waren bis zur Corona Pandemie die Goldesel der Fluggesellschaften, denn sie zahlten nach seinen Worten „drei- bis viermal so hohe Tarife wie Privatreisende, manchmal sogar noch viel mehr. Ein permanenter Rückgang im Geschäftsreiseverkehr in der Größenordnung von 10-15 Prozent bedeutet für alle Airlines einen Einnahmeverlust, der auch durch steigende Buchungszahlen bei Freizeitreisenden nicht annähernd ausgeglichen werden kann.“ 

Noch klammert man sich bei Lufthansa an die Hoffnung, dass sich das China-Geschäft erholen wird, wenn das Land sich wieder öffnet und eine Einreise problemlos möglich ist, da die bereits präsenten Firmen sich nicht von heute auf morgen zurückziehen werden. Und schließlich sei das Land ob seiner Größe ein lukrativer Absatzmarkt für deutsche Firmen.

(red)