Die Dauerkrisen der letzten Jahre werden das Geschäft der Fluggesellschaften grundsätzlich verändern. Diese Ansicht vertritt Ben Baldanza, der frühere Boss der US-Gesellschaft Spirit Airlines, in einem Beitrag für das Forbes-Magazin. 

Geschäftsreisende waren bis zur Corona Pandemie die Lebensversicherung für nahezu alle großen Fluggesellschaften weltweit. Sie zahlten laut Baldanza „drei- bis viermal so hohe Tarife wie Privatreisende, manchmal sogar noch viel mehr“. Entsprechend war das Geschäft der Airlines, wie z.B. die Flotte, der Flugplan, die Sitzplatzkonfiguration, die Flughafenimmobilien und die Vertriebsstrategie, komplett auf sie ausgerichtet. 

Die Pandemie hat die Geschäftsgrundlage der Airlines verändert, da die Unternehmen erkannt haben, dass sie ihre Geschäfte auch mit weniger Flügen betreiben können. Ein permanenter Rückgang im Geschäftsreiseverkehr in der Größenordnung von 10-15 Prozent bedeutet aber für alle Airlines einen Einnahmeverlust, der auch durch steigende Buchungszahlen bei Freizeitreisenden nicht annähernd ausgeglichen werden kann. Sich daran zu klammern, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis der Markt sich komplett erholt habe, hält Baldanza für naiv und gefährlich. Mehrere Gründe sprechen aus seiner Sicht dagegen: 

  • Online Meetings sind mittlerweile eine feste Größe in allen Unternehmen. Die Videosysteme von Zoom, Teams, WebEx, Google Meet und Skype sind ausgereifter und stabil. Auch wenn natürlich nicht alle persönlichen Meetings ersetzt werden können, wurden die Reisebudgets während der Pandemie erheblich gekürzt und werden auch sicher nicht wieder vollständig auf das Niveau der vor Corona Zeit steigen. Baldanza: „Kluges Management bedeutet, die richtigen Entscheidungen zu treffen, und diese Entscheidungen bedeuten zunehmend weniger Flugreisen für Aktivitäten, bei denen Video eine effizientere Lösung darstellt.“
  • Unternehmen werden zunehmend von Investoren gedrängt, ihre nichtfinanziellen ESG-Kennzahlen (Environmental, Social, Governance) offen zu legen, wobei derzeit der Focus verstärkt auf dem Bereich Umweltschutz liegt. Weniger Flugreisen reduzieren nachweislich die Kohlenstoffemissionen, und das häufig, ohne den Geschäftserfolg zu schmälern. Auch wenn der Flugverkehr nur einen kleinen Teil der gesamten schädlichen Emissionen ausmacht, ist dieser Bereich leicht zu identifizieren und hat einen hohen Stellenwert im Bewusstsein der Öffentlichkeit. Viele Unternehmen werden allein aus Imagegründen die Zahl ihrer Flugreisen einschränken. 
  • Kostendruck führt sehr schnell dazu, die Notwendigkeit von Geschäftsreisen auf den Prüfstand zu stellen. Das Resultat: Jede Kostensenkung bietet die Möglichkeit, die Gewinnspanne zu erhöhen. Die Personalkosten sind einer der größten Kostenblöcke im Unternehmen, dazu gehören im weitesten Sinn auch die Reisekosten. Diese durch Reduzierung der Reisetätigkeit zu senken, ist eine schnell umsetzbare Maßnahme der Kostenkontrolle. 
  • Auch die verschiedenen Formen des „New Work“, die sich während der Pandemie etabliert haben, können die Zahl der Geschäftsreisen reduzieren. Bei jeder Geschäftsreise geht es darum, Menschen zu treffen. Wenn diese im Home-Office oder sonstwo arbeiten, sind sie nicht mehr automatisch fünf Tage pro Woche im Büro erreichbar. Also werden einige Reisen nicht stattfinden. Das gleiche gilt für die rund 20 Prozent der Geschäftsreisen, die vor der Pandemie auf die Teilnahme an Kongressen und Messen entfielen.
  • Auch der „Zeitgeist“ bedroht das Geschäft der Fluggesellschaften. Früher wurden Vielflieger, die als sogenannte „Road Warrior“ geschäftlich um die Welt jetteten, bewundert, heute gilt das nicht mehr als cool, sondern als Ressourcenverschwendung und Umweltverschmutzung, wofür man sich schämen muss. Als gut für die Umwelt und für die Gesellschaft gilt heute, Reisen möglichst zu vermeiden. Solche Ansichten können sich zwar  ändern und Geschäftsreisen dann wieder als positiver Beitrag zur Entwicklung der Wirtschaft betrachtet werden, für die kommenden Jahre sollten Fluggesellschaften aber bei ihrer Budgetplanung eher nicht damit rechnen.

Quelle: Forbes