Der diesjährige Welttourismustag am 27. September 2022 stand ganz im Zeichen von Nachhaltigkeit in der Reisebranche. Das Motto lautete: „Tourismus neu denken“. Dass dies unbedingt notwendig ist, zeigt eine zu diesem Anlass vorgelegte Studie der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE), deren Fazit ernüchternd ausfällt: Von Nachhaltigkeit ist im europäischen Tourismus bisher kaum etwas zu erkennen.

Auch in Deutschland sei der Wille für mehr Nachhaltigkeit zwar spürbar, aber die Ergebnisse seien in den Bundesländern sehr unterschiedlich ausgeprägt, sagt Heike Dickhut, Mitautorin der Studie „European Tourism Going Green (ETGG) SME 2030″. Das sei hierzulande besonders im Bereich „soziale Nachhaltigkeit“ deutlich: Die Arbeitsbedingungen mit niedrigen Löhnen, überlangen Arbeitszeiten und häufig nicht geeignetem Qualifikationsniveau seien im Vergleich zu anderen Branchen schlecht.

Kaum Schritte hin zu mehr Nachhaltigkeit hat es im Bereich Transport und Verkehr gegeben. Im Gegenteil, die beliebten Städtetrips haben zu immer mehr und immer kürzeren Reisezeiten geführt, die umweltschädliche Flüge statt Bahnfahrten notwendig machen. Als sehr problematisch wird auch die Kreuzfahrtindustrie angesehen. Seit dem (vorläufigen) Ende der Pandemie sind wieder Hunderte von Kreuzfahrtschiffen weltweit unterwegs, die wegen ihrer hohen Emissionen als extrem umweltschädlich gelten, und zugleich für den viel kritisierten „Overtourism“ verantwortlich sind. Sie laden große Menschenmengen in kurzer Zeit in Hafenstädten ab, was den Destinationen außer Verkehrsproblemen und Verstopfungen wirtschaftlich nichts bringt, da die Reisenden dort kaum Geld ausgeben. 

Ein paar positive Ansätze für mehr Nachhaltigkeit durch Tourismus werden in der Studie aber auch genannt. Studienleiter Wolfgang Strasdas weist darauf hin, dass in vielen Reiseländern immer stärker auf Regionalität, Direktvermarktung und lokale Produktion geachtet wird, zum Beispiel in den Bereichen Lebensmittel, Gastronomie und (Kunst)Handwerk. Auch die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg haben Nachhaltigkeitspläne in der Reiseindustrie beflügelt. Er sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Durch den Krieg hat Nachhaltigkeit eine geostrategische Bedeutung bekommen. Stichwort erneuerbare Energien, kürzere Lieferketten uvm.“ Er ist allerdings skeptisch, ob das langfristig positive Auswirkungen haben wird. „Die Tourismusbranche ist kein Vorreiter.“ Sie sei überwiegend opportunistisch und richte sich nach den Wünschen der Kunden. Wenn die ihr Verhalten nicht ändern, ändere sich auch die Tourismusbranche nicht.

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