Der tödliche Angriff auf einen Polizisten in Mannheim hat allen die akute Gefahr terroristischer Anschläge vor Augen geführt. Im Fokus stehen im Moment die beiden sportlichen Großereignisse in diesem Sommer, die Fussball Europameisterschaft in Deutschland und die Olympiade in Paris.
Die Tat ist der Alptraum für alle Sicherheitsbehörden: Der Täter, vor Jahren als Asylsuchender aus Afghanistan nach Deutschland gekommen und bisher nicht als Islamist in Erscheinung getreten, also ein Einzeltäter, der keiner terroristischen Vereinigung angehört, hat sich ganz offensichtlich im Internet radikalisiert. Er ging zu einer Veranstaltung und hatte ein normales Messer bei sich, das man überall kaufen kann. Es gibt für die Sicherheitsbehörden keine Möglichkeit, einen solchen Täter schon im Vorfeld zu erkennen und die Tat zu verhindern.
Andere islamistische Gefährder, die einer Terrororganisation angehören, sind nicht weniger gefährlich, aber diese haben die Behörden auf dem Radar. Laut Bundeskriminalamt waren im Januar dieses Jahres 483 gewaltbereite Islamisten bekannt.
Die größte Gefahr von Terroranschlägen geht nach Einschätzung des Bundeskriminalamts und der meisten Experten derzeit von islamistischen Gewalttätern aus. Das Internet dient dabei als „Brandbeschleuniger“. Gerade Terroranschläge mit islamistischen Hintergrund werden häufig von Menschen verübt, die erst durch Falschmeldungen und Hasstiraden im Internet radikalisiert wurden. Nach der militärischen Zerschlagung des „Islamischen Staates“ (IS), der in Syrien und im Irak ein sogennantes Kalifat, einen intoleranten und blutrünstigen Gottesstaat, errichtet hatte, wurde es eine Zeit lang ruhiger um die islamistische Terrorszene.
Wer allerdings geglaubt hatte, der IS sei endgültig zerschlagen und verschwunden, hat sich gründlich geirrt. Zwar wurden viele seiner Mitglieder getötet oder verhaftet, aber die Überlebenden haben neue Mitglieder rekrutiert und sich neu aufgestellt. Mittlerweile gilt eine IS-Zelle in der afghanischen Provinz Khorasan (ISPK) als aggressivste und gefährlichste Gruppe, die ganz offen Anschläge in Europa während der großen Sportveranstaltungen propagiert. Die Sicherheitsbehörden haben schon zu Beginn des Jahres mehrere geplante Anschläge mutmaßlicher Islamisten verhindert, zum Beispiel einen Anschlag auf den Kölner Dom. Mehrere Verdächtige wurden festgenommen.
Terrorismus-Experten wie Peter Neumann, Professor am King’s College in London, warnen vor einem deutlichen Anstieg der Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus. Neumann sagte in der ZDF-Sendung „heute“, dass seit dem 7. Oktober 2023 27 geplante Anschläge in Westeuropa gezählt wurden, von denen vier gelungen sind. Der ISPK hat explizit Drohungen gegen die Fußball EM ausgestoßen, er werde Berlin, München und Dortmund ins Visier nehmen.
Der ISPK war für den Anschlag in Moskau mit über 140 Toten verantwortlich und seine Anhänger sind in ganz Europa verstreut. Sie sind hochprofessionell und wären nach Neumanns Ansicht durchaus in der Lage, Anschläge zu verüben. „Denn der IS ist dabei, seine zerschlagenen Strukturen zu reorganisieren, so dass wir jetzt einerseits den Einzeltätern, die sich im Internet radikalisieren, und andererseits einem netzwerkmäßig strukturierten Terrorismus wie dem ISPK gegenüber stehen.“
Er warnt eindringlich davor, zu glauben, dass man große Ereignisse wie die Fußball-EM oder die Olympischen Spiele komplett überwachen könne, um Terroranschläge zu verhindern. Dabei sind es nicht die Stadien selbst, die den Sicherheitskräften die größten Sorgen bereiten, sondern die vielen Veranstaltungen rund um die Spiele, vom Public Viewing bis zu privaten Treffen im Biergarten oder in überfüllten Kneipen.
(red)