Die polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2023 zeigt einen deutlichen Anstieg der Gewalttaten um 8,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Alarmierend ist der gestiegene Anteil jugendlicher Tatverdächtiger und der hohe Anteil ausländischer Täter.
Die Vorstellung der PKS sorgte sofort für eine aufgeregte Diskussion. Die Gewerkschaft der Polizei forderte Konsequenzen: Die angespannte Sicherheitslage und die Kriminalitätsentwicklung zeigen, so ein Sprecher, dass unverzüglich in mehr Personal, mehr Befugnisse und schnellere digitale Abläufe investiert werden müsse. Dagegen warnten Experten wie Tobias Singelnstein, Professor für Strafrecht und Kriminologie, davor, die PKS überzubewerten. Sie spiegele eine polizeiliche Bewertung, aber nicht die der Justiz wider. Möglicherweise habe es einfach mehr Anzeigen gegeben, aber nicht mehr Täter.
Die Zahl der registrierten Straftaten ist im vergangenen Jahr auf fast 6 Millionen gestiegen. Die PKS gibt nur Tatverdächtige an, nicht tatsächlich überführte Täter. Dass die Zahlen sowohl im Jahr 2022 als auch 2023 stark gestiegen sind , hat wahrscheinlich mit der Corona-Pandemie zu tun. Es zeigt sich ein gewisser Nachholeffekt, da die Zahlen während des Lockdowns 2020/21 stark zurückgegangen waren. Aussagekräftiger ist daher der Vergleich mit den Zahlen aus dem Jahr 2019.
Die psychischen Belastungen während der Ausgangssperren zur Zeit der Pandemie trafen vor allem Kinder und Jugendliche. Das könne laut Experten eine Erklärung für den Anstieg der registrierten Straftaten in dieser Altersgruppe um 43 Prozent im Vergleich zu 2019 sein. Bei den meisten Delikten handelt es sich um einfache Körperverletzung und Diebstahl. Die Taten fanden vorwiegend unter Kindern und Jugendlichen selbst statt.
Hoch ist auch der Anteil ausländischer Tatverdächtiger (41,3 %), was unter anderem damit zusammenhängt, dass im vergangenen Jahr so viele Menschen nach Deutschland kamen wie schon lange nicht mehr. Zieht man bestimmte Straftaten wie ‚unerlaubte Einreise‘ oder ‚Verstöße gegen das Aufenthalts- und Asylrecht‘ ab, liegt der Anstieg bei 13,5 Prozent.
Auffällig ist die Zunahme der Gewaltkriminalität auf rund 215.000 Fälle, ein Höchstwert der letzten 15 Jahre. Dazu gehören etwa ‚gefährliche und schwere Körperverletzung‘ (ca. 155.000 Fälle), Raubdelikte (ca 45.000, +17 %) und Messerangriffe (ca.9.000, +10%). Auch die Zahl der Wohnungseinbrüche ist um 18,1 Prozent nach oben geschnellt (77.819 Fälle), was erklärbar ist, da in der Zeit des Corona-Lockdowns dieses Delikt kaum eine Rolle spielte.
In der PKS sind einige Gruppen von Straftaten wie Verkehrsdelikte, Staatsschutzdelikte oder Zoll- und Steuerstraftaten nicht erfasst. Mit den Verkehrsdelikten fehlen rund 50 Prozent aller Straftaten. In die PKS fließen alle angezeigten Straftaten ein, die von der Polizei ausermittelt und an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurden. Die PKS unterscheidet sich daher wesentlich von anderen Kriminalitätsstatistiken der Justiz oder der Strafverfolgungsstatistik des Statistischen Bundesamtes.
Es gilt die Faustregel: Nicht alles Angezeigte wird aufgeklärt, nicht alles Aufgeklärte wird angeklagt und nicht alles Angeklagte wird verurteilt. Denn oft kommt die Staatsanwaltschaft zu einer anderen Einschätzung als die Polizei, ob der vorliegende Tatverdacht für eine Anklageerhebung und Verurteilung ausreicht. Nur ungefähr 30 Prozent aller Tatverdächtigen werden auch verurteilt.