Die jüngsten Einschränkungen für die Schifffahrt im Panamakanal aufgrund von Wassermangel während der Trockenzeit schüren die Angst vor einem Engpass im Welthandel. Diese Woche veröffentlichte ‚Moody’s Investor Service‘ einen Bericht über die Situation im Panamakanal und die möglichen Auswirkungen auf die Lieferketten.

Der Wasserstand im Panamakanal ist so niedrig wie seit langem nicht mehr, was zu anhaltenden Einschränkungen für die Schifffahrt führt. Die Panamakanalbehörde (PCA) hat den Tiefgang, d. h. die maximal zulässige Tiefe für Schiffe, begrenzt und die Zahl der Durchfahrten durch den Kanal, eine wichtige globale Handelsroute, die Atlantik und Pazifik verbindet, verringert. Die derzeitigen Beschränkungen bleiben für den Rest des Jahres bis 2024 bestehen.

Die diesjährige Dürre wird durch die Rückkehr des Wetterphänomens El Niño noch verschärft. Die unmittelbaren negativen Auswirkungen waren vor allem für die Importeure von Rohstoffen und Trockenmassengütern, aber auch für die in Containern verschifften Waren spürbar. Die durchschnittlichen Wartezeiten für die Durchfahrt durch den Kanal haben sich verlängert, wobei Tanker und Massengutfrachter am stärksten betroffen sind. „Wir glauben, dass die Aussicht auf Beschränkungen für einen längeren Zeitraum die Frachtraten und die Verfügbarkeit von Getreide, Erdölprodukten, Flüssiggas sowie bestimmten Chemikalien erhöhen wird. Die Containerschiffe reduzieren ihre Ladung, was zu Verspätungen führen wird, die die Versorgungsketten geringfügig stören könnten“, so die Analysten Daniel Harlid, Adrian Garza und Stanislas Duquesnoy.

Viele Reedereien, darunter die deutsche Hapag Lloyd, überlegen bereits, ob sie ihre Schiffe nicht alternativ durch den Suezkanal Richtung Asien fahren lassen. Eine Verschärfung der Dürre in Mittelamerika würde erhebliche Risiken für die globalen Lieferketten bedeuten. Die aktuellen Prognosen deuten zwar darauf hin, dass die Wasserstände ab September langsam ansteigen werden. „Aber ein längeres Ausbleiben von Niederschlägen würde zu einer ähnlichen Krise in der Versorgungskette führen wie die Unterbrechung nach der Pandemie“, heißt es in dem Moody’s Bericht.

Häfen und die globale Schifffahrt werden künftig immer größere Schwierigkeiten haben, die physischen Klimarisiken abzumildern. Die einzige Möglichkeit für Produzenten und Handelshäuser, ihre Anfälligkeit für physische Klimarisiken direkt zu verringern, besteht darin, mit der Regionalisierung der Lieferketten zu beginnen, indem sie einige Waren näher am Heimatort beschaffen oder produzieren. Im Laufe der Zeit würde dies zu einem geringeren Volumen führen, das die Häfen abwickeln müssten, und dadurch zu einer geringeren Nachfrage nach Schiffen, da aktuell mehr als 80 Prozent des Welthandels auf dem Seeweg abgewickelt werden.

Die negativen Auswirkungen einer Verschlechterung der Situation sind schwer zu quantifizieren. Sicher ist, dass die Wirtschaft der Vereinigten Staaten stark betroffen wäre, da die Ausfuhr von Rohstoffen und Waren von der US-Ostküste und dem Golf von Mexiko beeinträchtigt würden. So könnte beispielsweise die Verschiffung von Agrarrohstoffen wie Mais und Sojabohnen behindert werden, was die Preise für diese Produkte auf den Weltmärkten schwanken ließe. Ebenso könnten die US-amerikanischen Öl- und Gasexporte stark eingeschränkt werden.

Der Kanal ist ein wichtiges Tor für alle Lieferketten, in denen Waren zwischen dem Pazifik und dem Atlantik gehandelt werden. Für die Vereinigten Staaten ist er jedoch besonders wichtig. „Wir schätzen, dass im Jahr 2021 etwa 15 Prozent des weltweiten Seehandels mit den USA über den Kanal abgewickelt wurden. Betrachtet man den Handel der US-Ostküste mit Asien, so wird schätzungsweise fast die Hälfte der Tonnage jährlich durch den Kanal befördert“, so die Moody’s-Autoren.